Hinweis

I. Allgemeines
Rechtsgrundlage der Haftung des Rechtsanwalts ist der mit dem Mandanten abgeschlossene Vertrag. Sowohl für die Beratung als auch für die Vertretung des Mandanten bei Verhandlungen oder Gerichtsprozessen besteht die Pflicht des Rechtsanwalts, dafür zu sorgen, dass der Mandant keinen Vermögensschaden erleidet. Die einzelnen Sorgfaltspflichten ergeben sich aus den gesetzlichen Vorschriften, aus der Berufsordnung und sind von der Rechtsprechung entwickelt worden. Die Gerichte legen strenge Maßstäbe an und verlangen vom Rechtsanwalt umfassende Rechtskenntnisse sowie die Überwachung von Fristen und Terminen.
Verletzt der Rechtsanwalt schuldhaft solche Pflichten, kommt eine Haftung in Betracht. Führt die Pflichtverletzung nämlich zu einem Schaden des Auftraggebers, ist der Rechtsanwalt verpflichtet, diesen Schaden zu ersetzen. Wegen des hohen Haftungsrisikos ist jeder Rechtsanwalt nach § 51 der Bundesrechtsanwaltsordnung verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Die Mindestversicherungssumme beträgt € 500.000,00 für jeden Versicherungsfall. Der Abschluss der Vermögenshaftpflichtversicherung ist der Rechtsanwaltskammer nachzuweisen. Verliert der Rechtsanwalt den Versicherungsschutz, führt dies zum Verlust der Zulassung als Rechtsanwalt.

II. Anwaltspflichten
Sofort mit der Auftragserteilung entsteht die anwaltliche Pflicht, in der übernommenen Rechtssache drohende Gefahren vom Mandanten abzuwenden.
1. Aufklärung des Sachverhalts
Eine juristische Beratung erfordert eine genaue Aufklärung des Sachverhalts. Der vom Mandanten geschilderte Fall sollte in einem Aktenvermerk festgehalten werden. Urkunden und Korrespondenz müssen geprüft werden. Fehlende Informationen sollten durch Mitwirkung des Mandanten beschafft werden. Der Anwaltsvertrag begründet eine wechselseitige Pflicht zur Information.

2. Beratungspflicht
Hauptpflicht des Rechtsanwalts ist die allgemeine und umfassende Beratung und Belehrung des Mandanten. Dieser darf darauf vertrauen, dass er über die maßgeblichen Gesichtspunkte und Umstände, die für sein ferneres Verhalten entscheidend werden können, eingehend beraten wird. Dem Mandanten sind die verschiedenen rechtlichen Möglichkeiten und die damit jeweils verbundenen Risiken aufzuzeigen. Es ist dann Sache des Mandanten zu entscheiden, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen (Verhandlung mit dem Gegner, Klage usw.) ergriffen werden. Besteht ein hohes Prozessrisiko, muss der Rechtsanwalt zur Vermeidung eigener Haftungsrisiken hierauf besonders hinweisen. Die Frage nach den anfallenden Kosten muss insbesondere bei hohen Streitwerten genau beantwortet werden. Haben Gerichte in einer Rechtsfrage unterschiedlich entschieden, so muss auch hierüber aufgeklärt werden. Der Rechtsanwalt muss seinem Mandanten immer empfehlen, den „sicheren Weg“ einzuschlagen. Wird dieser sichere Weg nicht gewählt, ist der Rechtsanwalt zur Vermeidung von Haftungsrisiken gezwungen, seinen Mandanten hierauf ausdrücklich (schriftlich) hinzuweisen.

3. Nebenpflichten
Weitere Pflichten neben der umfassenden Rechtsberatung sind die Überwachung laufender Fristen (Prozessfristen, Verjährungsfristen etc.). Eingehende Post muss geprüft werden. Der Mandant ist über den Stand seiner Gerichtsprozesse regelmäßig zu unterrichten. Der rechtzeitige Zugang von Briefen und Schriftsätzen muss durch entsprechende Maßnahmen sichergestellt werden.

4. Prozessführung
Hat der Rechtsanwalt den Sachverhalt richtig und vollständig dem Gericht vorgetragen, so trifft ihn für eine dennoch fehlerhafte Gerichtsentscheidung keine Verantwortung. Gibt das Gericht eine falsche Meinung im Termin bekannt, muss der Rechtsanwalt dagegenhalten und versuchen, das Gericht zu überzeugen. Dies geschieht mit Sachvortrag oder mit sachlicher juristischer Argumentation. Gelingt es ihm nicht, das Gericht zu überzeugen, bleibt häufig nur die Empfehlung, die Entscheidung des Gerichts in der nächsten Instanz überprüfen zu lassen.

5. Büroorganisation
Eine fehlerfreie Bearbeitung von Rechtsangelegenheiten setzt eine gute Büroorganisation voraus. Die Mitarbeiter müssen entsprechend ihrer Qualifikation in die Bearbeitung der Fälle eingebunden werden. Die einzelnen Arbeitsabläufe und Zuständigkeiten sollten nach Möglichkeit schriftlich in einem Büroorganisationsplan niedergelegt werden. Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, die Einhaltung seiner Anordnungen regelmäßig durch Stichproben zu überprüfen.

6. Unterrichtung des Mandanten
Der Mandant ist über den Stand der Sache laufend zu unterrichten. Dies geschieht zumindest durch Übersendung von Durchschriften des mit Gericht und Gegner gewechselten Schriftverkehrs. Ergeben sich im Verfahren neue tatsächliche Gesichtspunkte, müssen diese mit dem Mandanten erörtert werden. Unter Umständen muss die eingeschlagene Strategie überdacht werden. Die funktionierende Zusammenarbeit zwischen Rechtsanwalt und Mandant während des Verfahrens muss gewährleistet sein. Nach Beendigung einer Instanz muss der Rechtsanwalt den Mandanten über die Gerichtsentscheidung, den Zeitpunkt der Zustellung des Urteils und über mögliche Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen belehren.

7. Vergleichsabschluss
Viele Streitigkeiten werden durch einen außergerichtlichen oder gerichtlichen Vergleich beendet. Beim Abschluss eines Vergleichs trifft den Rechtsanwalt eine besondere Verantwortung. Der Vergleich ist ein Vertrag, mit dem die jeweils strittigen Rechtspositionen geregelt werden. Dem Mandanten muss daher letztlich die Entscheidung überlassen werden, ob er einen solchen Vertrag abschließen möchte. Es ist Sache des Rechtsanwalts, dem Mandanten im Einzelnen darzulegen, was für und was gegen einen Vergleichsabschluss spricht. Beim Prozessvergleich muss auch eine Prozessprognose über den Ausgang des Rechtsstreits gegeben werden. Für den Mandanten nachteilige Vergleiche sind in der Regel nicht mehr zu korrigieren. Der Rechtsanwalt sollte sich daher bei jedem Prozessvergleich eine Widerrufsmöglichkeit vorbehalten, um den Vergleich mit dem Mandanten erörtern zu können.
Mit Risiken verbunden sind sogenannte Ausgleichsklauseln, mit denen „alle gegenseitigen Forderungen für erledigt erklärt werden“. Hier muss sorgfältig überlegt werden, ob nicht auf Rechtspositionen verzichtet wird, die nicht Gegenstand der bisherigen Auseinandersetzungen, wie z.B. Gewährleistungsansprüche, waren.
Besondere Vorsicht ist auch bei Abfindungsvergleichen in Verkehrsunfallsachen geboten. Hat der Mandant bei einem Verkehrsunfall Verletzungen erlitten, die unübersehbare Spätfolgen nach sich ziehen können, ist von einem Abfindungsvergleich abzuraten.

I. Schadensersatzhaftung
1. Haftungsgrund
Bei der Verletzung von Haupt- oder Nebenpflichten haftet der Rechtsanwalt dem Mandanten aus positiver Vertragsverletzung auf Schadensersatz. Fehlverhalten von Mitarbeitern wird dem Rechtsanwalt haftungsrechtlich zugerechnet, sodass er auch dann Schadensersatz zu leisten hat.
2. Schaden
Eine Verpflichtung des Rechtsanwalts zum Schadensersatz setzt voraus, dass dem Mandanten tatsächlich ein Schaden entstanden ist. Ein Schaden ist gegeben, wenn der Mandant Vermögenseinbußen erleidet.

3. Kausalität der Pflichtverletzung
Nicht jede Pflichtverletzung des Rechtsanwalts führt automatisch zu einem Schadensersatzanspruch des Mandaten. Voraussetzung ist vielmehr, dass das pflichtwidrige Verhalten des Rechtsanwalts ursächlich für eine Vermögenseinbuße des Mandanten ist. Es ist also zu prüfen, wie sich die Vermögenslage des Mandanten beim pflichtgemäßen Handeln des Rechtsanwalts entwickelt hätte. Hat der Rechtsanwalt z.B. schuldhaft eine Verjährungsfrist übersehen, ist Voraussetzung für die Haftung, dass die Klage des Mandanten gegen den Prozessgegner auch gewonnen worden wäre. Im Haftpflichtprozess gegen den Rechtsanwalt muss also gegebenenfalls ein „hypothetischer Inzidentprozess“ geführt werden, das heißt, es muss gegebenenfalls durch eine Beweisaufnahme geklärt werden, ob der Mandant den Prozess gegen seinen Prozessgegner bei rechtzeitiger Klageerhebung gewonnen hätte. Im Regressprozess muß das Gericht also entscheiden, welches Urteil richtigerweise hätte ergehen müssen.

4. Verschulden
Der Rechtsanwalt haftet für Vorsatz und Fahrlässigkeit. Auch fahrlässige Beratungsfehler führen zur Haftung.

5. Mitverschulden
Hat der Mandant Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit des anwaltlichen Verhaltens und können die Auswirkungen auf die Schadensentwicklung noch beeinflusst werden, trifft ihn die Pflicht zur Schadensabwehr. Unterlässt der Mandant entsprechende Maßnahmen, so kann ihn ein Mitverschulden treffen. Dies führt dazu, dass er den Schaden ganz oder teilweise selbst tragen muss. Für die Frage der Mithaftung kommt es auf die jeweiligen Umstände des einzelnen Falles an.

6. Haftungsbeschränkung
Im Anwaltsvertrag ist es möglich, durch Individualvereinbarung die Haftung des Rechtsanwalts im Einzelfall bis zur Höhe der Mindestversicherungssumme von € 500.000,00 zu beschränken. Eine summenmäßige Haftungsbeschränkung durch allgemeine Geschäftsbedingungen ist gemäß § 51 a Bundesrechtsanwaltsordnung auf das vierfache der Mindestversicherungssumme zulässig.

7. Verjährung
Schadensersatzansprüche des Mandanten gegen den Rechtsanwalt verjähren gemäß § 51 b der Bundesrechtsanwaltsordnung innerhalb von drei Jahren ab Entstehung des Anspruchs. Auf eine Kenntnis des Geschädigten kommt es nicht an. Allerdings ist der Rechtsanwalt nach der Rechtsprechung verpflichtet, auf eine eigene Pflichtverletzung und daraus möglicherweise resultierende Schadensersatzansprüche vor Ablauf der Verjährungsfrist hinzuweisen. Verletzt er diese Hinweispflicht schuldhaft, obwohl er zur Prüfung eines Regressanspruchs begründeten Anlass hatte, muss er den Mandanten so stellen, als ob die Verjährung des sogenannten Primäranspruchs nicht eingetreten wäre. Dieser sogenannte Sekundäranspruch verjährt dann ebenfalls nach § 51 b Bundesrechtsanwaltsordnung. Die Verjährungsfrist beginnt dann also mit der pflichtwidrig unterlassenen Belehrung über den möglichen Schadensersatzanspruch.

8. Sozietät
In einer Sozietät verbundene Rechtsanwälte haften gegenüber dem Mandanten als Gesamtschuldner. Hierbei spielt es für die Haftung keine Rolle, ob die Sozietät nur nach außen besteht (Scheinsozietät) und einzelne Anwälte im Innenverhältnis nur Angestellte sind.

II. Durchsetzung von Ansprüchen
Bestehen Anhaltspunkte für eine anwaltliche Pflichtverletzung, sollte der Mandant sich zunächst von einem anderen Rechtsanwalt beraten lassen. Manchmal sind Rechtsanwälte, die beim selben Gericht wie der betroffene Rechtsanwalt zugelassen sind, nicht bereit, ein solches Mandat anzunehmen. Hierzu ist der Rechtsanwalt auch nicht verpflichtet. Gegebenenfalls ist die Rechtsanwaltskammer bei der Suche nach einem geeigneten Rechtsanwalt behilflich.
Besteht ein Regressanspruch, sollte zunächst versucht werden, die Angelegenheit mit dem betroffenen Rechtsanwalt außergerichtlich zu regeln. Dem betroffenen Rechtsanwalt wird von seiner Berufshaftpflichtversicherung Rechtsschutz gewährt. Ist eine Einigung nicht möglich, weil zur Haftungsfrage unterschiedliche Auffassungen bestehen, kann Klage auf Schadensersatz beim Zivilgericht erhoben werden.