Hinweis

Arbeitsrecht ist häufig komplizierter als man denkt. So kann sich die Kündigungsfrist bei einer Kündigung eines Arbeitsvertrags aus dem Gesetz, aus einem Tarifvertrag oder aus dem Arbeitsvertrag ergeben.

Die gesetzliche Grundkündigungsfrist beträgt für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer 4 Wochen zum 15. oder zum Monatsende. Diese Frist verlängert sich gemäß § 622 Abs. 2 BGB für den Arbeitgeber stufenweise nach längerer Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers auf maximal 7 Monate zum Monatsende, bei 20-jähriger oder längerer Betriebszugehörigkeit. Im Arbeitsvertrag kann zudem vereinbart werden, dass die längere für den Arbeitgeber geltende Kündigungsfrist auch bei einer Kündigung durch den Arbeitnehmer gilt.

Sind die im Arbeitsvertrag vereinbarten Kündigungsfristen für den Arbeitnehmer länger als die gesetzliche Frist, gilt die günstigere längere Frist (Günstigkeitsprinzip).

Die Klägerin ist seit mehr als 20 Jahren bei der Beklagten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war beiderseits eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum 30.06. oder 31.12. des Jahres vereinbart. Am 19.12.2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2015. Im Kündigungsschutzprozess berief sich die Klägerin darauf, dass die gesetzliche Kündigungsfrist von 7 Monaten zum Monatsende nicht eingehalten worden sei. Eine Umdeutung in eine Kündigung zum 31.07.2013 komme nicht in Betracht.

Die Beklagte war der Auffassung, die Kündigung habe das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2013 aufgelöst. Die vertragliche Kündigungsfrist sei für die Klägerin günstiger als die gesetzliche Frist von 7 Monaten, da sie für die längere Zeit eines Kalenderjahres einen besseren Schutz biete.

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass eine vertragliche Kündigungsfrist sich gegen die maßgebliche gesetzliche Kündigungsfrist nur dann durchsetzt, wenn sie in jedem Fall zu einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. Es genügt nicht, dass die vertragliche Regelung für die längere Zeit innerhalb eines Kalenderjahres den besseren Schutz gewährt. Im Ausgangsfall hätte die Beklagte die Kündigung also zum 31.07.2013 aussprechen müssen.

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist die von der Beklagten zum 30.06.2013 ausgesprochene Kündigung in eine Kündigung zum 31.07.2013 umzudeuten. Für die Klägerin war erkennbar, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis in jedem Fall und nicht nur zum 30.06.2013 beenden wollte.

Das Bundesarbeitsgericht ist also zu dem Ergebnis gekommen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten zum 31.07.2013 beendet worden ist.

Dabei hat das Bundesarbeitsgericht allerdings offen gelassen, ob eine einheitliche, von der Dauer der Betriebszugehörigkeit unabhängige einzelvertragliche Frist so lange Vorrang genießen kann, bis sie mit der Stufenregelung des § 622 Abs. 2 S. 1 kollidiert. Das Gericht tendiert in seiner Entscheidung dazu, die vertragliche Kündigungsfrist so lange für wirksam zu erachten, bis dass es zu der Kollision kommt. Dies hätte im konkreten Fall bedeutet, dass bis zu der Betriebszugehörigkeit der Klägerin von 15 Jahren die vertragliche Kündigungsfrist von 6 Monaten zum 30.06. oder 31.12. eines Kalenderjahres günstiger war als die bis dahin geltende Frist von 6 Monaten zum Monatsende gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB. (BAG, Urteil vom 29.01.2015 – 2 AZR 280/14-).