Hinweis

I. Allgemeines
Strafrecht ist nicht nur eine Materie, mit der „Kriminelle“ in Kontakt kommen. Vielmehr kann es im alltäglichen Leben jedem schnell passieren, dass er vorsätzlich oder fahrlässig gegen Strafnormen verstößt. Im Straßenverkehr läuft man Gefahr, in einen Unfall verwickelt zu werden, bei dem auch Menschen zu Schaden kommen können oder der unter Alkoholeinfluss verursacht worden ist. Gelegentlich widersetzen sich Unterhaltsverpflichtete ihrer Unterhaltspflicht oder man tätigt ein Geschäft, obwohl man weiß, dass man die vereinbarte Gegenleistung nicht erbringen kann. Diese Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen.
Strafrecht ist die Befugnis des Staates zur Bestrafung von Rechtsbrechern.
Strafrechtliche Normen finden sich vor allem im Strafgesetzbuch, aber auch in vielen anderen Nebengesetzen wie z.B. dem Betäubungsmittelgesetz, dem Ausländergesetz, dem Urheberrechtsgesetz, dem Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, dem Straßenverkehrsgesetz etc.

II. Strafbarkeit des Handelns
Die Strafbarkeit eines Handelns hängt u.a. davon ab, dass die handelnde Person einen Straftatbestand erfüllt, keine Rechtfertigungsgründe vorliegen und dass ihr Handeln schuldhaft erfolgt.

1. Straftatbestand
Der Straftatbestand muss erfüllt sein, das heißt der Täter muss gegen eine strafrechtliche Verbotsnorm verstoßen haben. In der strafrechtlichen Vorschrift muss genau festgelegt sein, welches Verhalten verboten ist. Die Verbotsnorm muss zum Tatzeitpunkt bereits in Kraft gewesen sein.
Der subjektive Tatbestand setzt Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraus. Vorsatz bedeutet bewusstes und gewolltes Handeln. Fahrlässigkeit setzt pflichtwidriges Handeln und Vorhersehbarkeit der Tatbegehung voraus.

2. Rechtfertigungsgründe
Auch wenn ein Straftatbestand erfüllt ist, findet keine Bestrafung statt, wenn das Tun gerechtfertigt war. In Betracht kommen dabei Rechtfertigungsgründe wie z.B. Notwehr, Notwehrhilfe, Notstand, Einwilligung und Festnahmerechte.

3. Schuld
Schuldfähig ist jeder, wenn nicht aus besonderen Gründen seine Einsichtsfähigkeit beeinträchtigt ist. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn er in Folge des Genusses von Rauschmitteln (Alkohol, Medikamente, Drogen) sein Handeln nicht mehr kontrollieren kann. Das Gericht kann in diesem Falle statt einer Bestrafung die Unterbringung anordnen.
Eine weitere Ausnahme von der Schuldfähigkeit besteht für Personen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Kinder können demnach nicht strafrechtlich verfolgt werden. Jedoch werden bei „Straftaten“ von Kindern gegebenenfalls erzieherische Mittel (durch das Jugendamt) erwogen. Auch ist zu beachten, dass eventuell die Erziehungsberechtigten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können (Garantenpflicht).
Zwischen dem 14. und dem 18. Lebensjahr sind Jugendliche zwar voll schuldfähig, doch sind auf sie besondere Regeln anzuwenden, die im Jugendgerichtsgesetz geregelt sind. Insbesondere bei den Strafmöglichkeiten haben die Gerichte ein breiteres Instrumentarium zur Verfügung, wobei der erzieherische Charakter vor dem rein bestrafenden Zweck den Vorrang genießt. Über das 18. hinaus bis einschließlich zum 21. Lebensjahr (maßgeblich ist das Alter zur Tatzeit) kann das Gericht nach Ermessen darüber entscheiden, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht angewendet wird. Dies richtet sich nach der persönlichen Reife des Täters.

III. Verfahren
1) Einleitung eines Ermittlungsverfahrens
Wenn eine Straftat begangen worden ist oder aber zumindest ein entsprechender Anfangsverdacht besteht, kann ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Dies geschieht entweder „von Amts wegen“, d.h. die Polizei oder die Staatsanwaltschaft werden entsprechend tätig, wenn sie von einem solchen Vorfall wie auch immer Kenntnis erhalten, oder aber Privatleute können durch eine Strafanzeige den zuständigen Behörden mögliche Gesetzesverstöße mitteilen. Ermittlungsbehörde ist die Staatsanwaltschaft, die bei den jeweiligen Landgerichten (im Kreis Euskirchen also Aachen oder Bonn) angesiedelt ist. Die Zuständigkeit ergibt sich zumeist aus dem Tatort.
Wenn die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, gibt sie die Ermittlungsakten an die Polizeibehörden vor Ort weiter, die beauftragt sind, den Sachverhalt aufzuklären, indem sie etwa Zeugen befragen, den Tatort oder Tatwerkzeuge näher in Augenschein nehmen und so den Hergang sowie die Hintergründe der Tat herausfinden. Sollten Sie von der Polizei als Beschuldigter vernommen werden, so sind Sie nicht verpflichtet, sich zur Tat selbst zu äußern. Ähnlich verhält es sich mit Ihren Familienangehörigen und Personen, die aus besonderen Gründen ein Aussageverweigerungsrecht haben (Rechtsanwälte, Ärzte, Priester u.ä.). Sie können sich daher Ihrem Rechtsanwalt/Verteidiger anvertrauen. Er ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Wollen Sie während eines Ermittlungsverfahrens Akteneinsicht haben, so ist dies nur über einen Rechtsanwalt möglich.

2) Einstellung der Ermittlungen
Sollte sich während der Ermittlungen herausstellen, dass der anfängliche Tatverdacht sich nicht weiter erhärten lässt, so stellt die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung ein. Die gleiche Möglichkeit hat sie auch, wenn festgestellt wird, dass die Schuld des Täters gering ist und kein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht, § 153 StPO. Dabei kann die Staatsanwaltschaft bei Zustimmung des Gerichtes diese Einstellung gemäß § 153a StPO mit einer Auflage verbinden. Diese Auflage kann aus der Zahlung eines Geldbetrages zu Gunsten einer gemeinnützigen Einrichtung, der Wiedergutmachung des Schadens oder aus gemeinnützigen Leistungen bestehen. Eine solche Möglichkeit bietet sich jedoch nur an, wenn es sich bei der zur Last gelegten Tat um ein Vergehen (Strafandrohung für die Tat liegt unter einem Jahr) handelt. Bei einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Zahlung einer Geldbuße ist der Betroffene nicht vorbestraft.

3) Anklage, Strafbefehl
Sollte die Staatsanwaltschaft genügend Anhaltspunkte sehen, die für die Begehung einer Straftat sprechen, so verfayyt sie eine Anklage, die dann dem zuständigen Gericht zugeleitet wird. Je nach Schwere des angeklagten Deliktes wird die Sache vor dem Strafrichter oder dem Schöffengericht beim Amtsgericht bzw. vor der großen Strafkammer/dem Schwurgericht beim Landgericht verhandelt. In Jugendsachen sind spezielle Gerichte zuständig. Das Gericht entscheidet sodann über die Eröffnung des Hauptverfahrens und bestimmt einen Termin zur Hauptverhandlung.
Sollte es sich bei dem Vergehen um eine weniger ins Gewicht fallende Tat handeln und sollten auch die Umstände der Tat sowie die Verhältnisse des Täters dafür sprechen, so beantragt die Staatsanwaltschaft beim Gericht einen Strafbefehl. Dieser wird dem Beschuldigten zugestellt. Sollte er die dort festgesetzte Geldstrafe begleichen, ist das Verfahren beendet. Wenn er Rechtsmittel einlegt, kommt es wiederum zu einer Hauptverhandlung.

4) Hauptverhandlung
Zur Hauptverhandlung lädt das Gericht den Angeklagten, seinen Verteidiger, die Staatsanwaltschaft, eventuelle Nebenkläger und alle Personen, die als Zeugen, Sachverständige etc. zur Aufklärung der Tat beitragen können. Sollte der Angeklagte bislang noch keinen Verteidiger haben, so wird ihm empfohlen, spätestens mit der Eröffnung des Hauptverfahrens einen solchen zu beauftragen. In besonderen Fällen ist das Gericht verpflichtet, einen Pflichtverteidiger beizuordnen (z.B. wenn der Angeklagte sich in Untersuchungshaft befindet, ihm ein Verbrechen zur Last gelegt wird oder Gründe in seiner Person einen solchen Rechtsbeistand erforderlich machen).
Nach der Verlesung der Anklageschrift hat der Angeklagte die Möglichkeit, zum Tathergang Stellung zu nehmen. Er kann ein Geständnis ablegen, welches sich bei der Strafzumessung mildernd auswirken wird, oder auch zu dem Vorfall schweigen. Es besteht nach unserer Rechtsordnung keine Verpflichtung, sich selbst zu belasten. In diesem Falle wird das Gericht in die Beweisaufnahme eintreten. Dabei werden mögliche Zeugen befragt, Akten und Urkunden beigezogen oder Sachverständige zu einzelnen Problemen gehört (z.B. graphologische, medizinische Gutachten, Unfallrekonstruktionsgutachten etc.). Anschließend halten der Vertreter der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger die Plädoyers. Dem Angeklagten wird Gelegenheit zum „letzten Wort“ gegeben. Danach zieht sich das Gericht zur Urteilsberatung zurück und spricht das Urteil.
Die Hauptverhandlung kann bei einfachen Strafsachen weniger als eine Stunde dauern, bei schwierigeren Sachverhalten und/oder mehreren Tatbeteiligten kann sie sich auch über etliche Verhandlungstage erstrecken.

5) Urteil, Rechtsmittel
Das mündlich verkündete Urteil enthält sowohl einen Ausspruch zur Strafbarkeit selbst, darüber welche Delikte der Verurteilte nach Überzeugung des Gerichtes begangen habe, wie auch zum Strafmaß. Gegen das Urteil kann Berufung oder Revision eingelegt werden. Die Rechtsmittel müssen innerhalb einer Woche nach Urteilsverkündung eingelegt werden. Dabei ist zu beachten, dass das schriftliche Urteil noch nicht zugestellt sein muss. Aus diesem Grunde kann die Begründung erst später nachgereicht werden. Sollte der Verurteilte unmittelbar nach der mündlichen Urteilsverkündung auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichten, wird das Urteil sofort rechtskräftig, andernfalls erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist.

6) Strafen
Das Strafrecht bietet unterschiedliche Mittel zur Bestrafung an. Die beiden häufigsten Strafen dürften dabei die Geld- und die Freiheitsstrafe sein. Die Geldstrafe setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen, der Anzahl der Tagessätze und die Höhe der Tagessätze. Die Anzahl der Tagessätze bringt dabei zum Ausdruck, wie hoch die Schuld des Verurteilten bei der Tatbegehung eingestuft wird und welche Strafe das Gericht dafür als angemessen betrachtet. Die Höhe der Tagessätze richtet sich nach dem Einkommen, wobei bestimmte Belastungen (Unterhaltsverpflichtungen, außergewöhnliche Belastungen etc.) einkommensmindernd berücksichtigt werden. Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren können auf Bewährung ausgesetzt werden. Dies bedeutet, dass der Verurteilte sich nicht in den Strafvollzug begeben muss, solange er die Bewährungsauflagen erfüllt und sich keine weiteren Straftaten zu Schulden kommen lässt. Besonders bei Straftaten, die in Verbindung mit einem Kraftfahrzeug begangen worden sind, kann das Gericht ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis aussprechen und gleichzeitig der Verwaltungsbehörde verbieten, vor Ablauf einer bestimmten Frist eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Diese Nebenstrafen und Maßregeln treffen besonders hart die Personen, welche gerade aus beruflichen Gründen auf ihren Führerschein angewiesen sind.
Die Strafzumessung und die Entscheidung, welche Strafart gewählt werden soll, hängt von der Schuld bei der Tatbegehung und von persönlichen Umständen ab. Strafen werden von den Vollstreckungsbehörden, welche bei den Staatsanwaltschaften angesiedelt sind, vollzogen.

7) Bundeszentralregister
Verurteilungen werden in das Bundeszentralregister eingetragen. In das Führungszeugnis werden sie jedoch nur aufgenommen, wenn auf eine Geldstrafe über 90 Tagessätze oder Freiheitsstrafe erkannt worden ist. Geldstrafen werden nach drei Jahren gelöscht, Freiheitsstrafen entsprechend nach drei oder fünf Jahren.

IV. Alkohol und Strafrecht
Eine besondere Situation ergibt sich, wenn bei Straftaten Alkohol mit im Spiel ist. Dies kommt vor allem bei schweren Verkehrsunfällen häufig vor. Der Gesetzgeber hat daher an den Alkoholgenuss im Straßenverkehr besondere Folgen geknüpft, welche in enger Verbindung zu den sogenannten Promillegrenzen stehen. Nach § 315c StGB reicht eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,3 ‰ bereits für die Feststellung der relativen Fahruntüchtigkeit und Strafbarkeit aus, wenn zusätzlich Leib, Leben oder ein erheblicher Sachwert eines Dritten alkoholbedingt gefährdet werden. Das Fahren mit einem BAK-Wert von 1,1 ‰ stellt bereits einen Straftatbestand dar. Ab einem BAK-Wert von 0,5 ‰ kann das Führen eines Fahrzeuges als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
Sollte der Beschuldigte sich durch Alkohol oder andere Rauschmittel in einen Zustand versetzen, in dem er sein Handeln nicht mehr kontrollieren kann (Vollrausch), und in dieser Verfassung eine Straftat begehen, für die er wegen fehlender Schuldfähigkeit (s.o.) nicht bestraft werden kann, so ist der Vollrausch selbst eine Straftat. Der Gesetzgeber erwartet von jedermann, dass er nur in dem Maße dem Alkohol zuspricht, wie er keine Gefahr für andere darstellt.